Rechtsprechung

Fristbeginn nach dem AGG bei Nichteinstellung einer Bewerberin

 Wird eine Bewerberin abgelehnt kann sich manchmal die Frage stellen, ob die Ablehnung auf Grund eines Diskrimierungsmerkmals erfolgt ist und einen Entschädigungsanspruch nach sich ziehen kann. Bekanntlich liegt die Beweislast hier beim Arbeitgeber, sofern die Bewerberin allein Indizien vortragen kann. Im hier entschiedenen Fall ging es daneben aber um die Frage ob der Entschädigungsanspruch, der innerhalb einer Frist von 2 Monaten gemäß § 15 AGG schriftlich geltend gemacht werden muss, rechtzeitig geltend gemacht worden ist. Das BAG (Urteil vom 27. August 2020 – 8 AZR 62/19) hat dazu entschieden, dass diese Frist erst mit Zugang (!) der Ablehnung zu laufen beginnt.

Eine Ablehnung durch den Arbeitgeber erfordert in diesen Fällen eine auf den Beschäftigten bezogene ausdrückliche oder zumindest konkludente Erklärung des Arbeitgebers, dass dieser nicht einegstellt wird. Eine schriftliche Ablehnung oder auch andere "formale" Bescheidung ist zwar nicht erforderlich, aber allein das Schweigen des Arbeitgebers reicht nicht aus, um die Frist des § 15 AGG in Gang zu setzen.

Betriebsvereinbarung oder (doch nur) Regelungsabrede

In seinem Beschluss vom 28.07.2020 (Az 1 ABR 4/19) hat sich das BAG (Az 1 ABR 4/19) mit der Differenzierung von Betriebsvereinbarungen (BV) und Regelungsabreden beschäftigt.

Eine Betriebsvereinbarung ist eine schriftformgebundene (§ 77 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 BetrVG) Vereinbarung zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber mit unmittelbarer und zwingender Geltung. Der normative Charakter der Betriebsvereinbarung als privatrechtlich kollektiver und objektives Recht setzender Normenvertrag der Betriebsparteien grenzt die Betriebsvereinbarung von einer einfachen Regelungsabrede ab. Letztere bedarf nicht der Schriftform und erfordert eine individuelle Umsetzung.

Im hier entschiedenen Fall bestimmte die BV  für das Inkrafttreten eine einzelvertragliche schriftlicher Zustimmung. Dem erteilte das BAG eine Absage, da ein solches Zustimmungserfordernis nicht im Betriebsverfassungsgesetz vorgesehen ist.



Sozialversicherungspflicht einer Kunsttherapeutin

Wie schwierig die Frage sein kann, ob eine sozialversicherungspflichtige oder aber eine selbstständige Tätigkeit vorliegt, zeigt eine aktuelle Entscheidung des LSG Baden-Württemberg (Urt. v. 17.07.2020, L 8 BA 1474/19). In dem Verfahren ging es um die Frage, ob Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung einer selbständigen Kunsttherapeutin besteht, die – neben anderen Tätigkeiten – in einer Klinik für Psychotherapie ein Malatelier mit regelmäßig stattfindenden Kursen anbietet.

Das LSG kam in diesem Fall zu dem Ergebnis, dass keine Sozialversicherungspflicht bestand. Nach einer umfassenden Gesamtabwägung gelangte der Senat zu der Überzeugung, dass die Tätigkeit der Kunsttherapeutin in Selbständigkeit erfolgte. Zwar hatte die Vorinstanz die Merkmale, die für eine selbständige Tätigkeit sprechen, zutreffend herausgearbeitet, die Gewichtung war jedoch nach Auffassung des LSG anders vorzunehmen.

Die Entscheidung bestätigt noch einmal, dass bei allen Zweifelsfragen, ob eine abhängige oder selbstständige Beschäftigung vorliegt,  ein entsprechendes Statusfeststellungsverfahren durchgeführt werden muss. Dessen Ergebnis sollte dann jedoch von einem Experten für Arbeits- bzw. Sozialversicherungsrecht geprüft werden - zumindest wenn Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung bestehen.

Der umfassende Merkmals- und Kriterienkatalog, den die Gerichte bei Fragen zur Selbstständigkeit heranziehen und die zudem notwendige Gesamtabwägung und Bewertung, können zu einer hohen Unsicherheit bei Trägern führen. Auf der anderen Seite bietet das komplexe Thema auch Möglichkeiten für eine aktive Gestaltung.

 

Verhaltensbedingte Kündigung bei verspäteter Krankmeldung

Vor einiger Zeit hatten wir über ein Verfahren am BAG informiert, in dem es um die (verhaltensbedingte) Kündigung auf Grund einer fehlenden unverzüglichen (Folge-) Krankmeldung ging. Im Nachgang zu dem Verfahren, in dem das BAG nicht selbst entscheiden konnte, hat das LAG Ba-Wü zu Lasten des Arbeitnehmers entschieden und die Kündigung bestätigt. Trotz langjähriger Betriebszugehörigkeit fiel die Interessenabwägung negativ aus, da der Arbeitgeber den Arbeitnehmer zuvor bereits in ähnlicher Sache abgemahnt hatte. Der Arbeitgeber musste hier nicht dulden, dass die Mitteilung der Arbeitsunfähigkeit wiederholt zu spät erfolgte.

 

 

 

Aktuelle Entscheidungen zum Kündigungsrecht

Dass der Diebstahl von Desinfektionsmitteln zu einer verhaltensbedingten Kündigung führen kann, hat jüngst das LAG Düsseldorf (Urteil vom 14.1.2021 - 5 Sa 483/20) entschieden. Trotz der langen Beschäftigungszeit sah das LAG keine vorherige Abmahnung für erforderlich an. Mit dem Diebstahl des Desinfektionsmittels hat der Arbeitnehmer in Kauf genommen, dass seine Kollegen leer ausgehen. Auch die Interessenabwägung fiel angesichts dieser Umstände zu Lasten des Arbeitnehmers aus.

Ein weiteres kündigungsschutzrechtliches Verfahren vor dem ArbG Siegburg (Urt. v. 15.10.2020, 1 Ca 231/201 Ca 231/20) betraf die Kündigung auf Grund angeblich fehlender Krankmeldungen. Der Arbeitgeber konnte hier nicht nachweisen, dass er den Arbeitnehmer abgemahnt hatte. Da das KSchG Anwendung fand und eine Kündigung als letztes Mittel in diesem Fall eine vorhergehende Abmahnung vorausgesetzt hätte, scheiterte der Arbeitgeber mit seinem Anliegen.

11.02.2021

Beteiligungsrecht des Betriebsrats bei einer Versetzung

Das BAG hat mit dem heute veröffentlichten Beschluss  vom 29.9.2020, 1 ABR 21/19, das Beteiligungsrecht eines Betriebsrats bei einer kurzfristigen Zuweisung einer anderen Tätigkeit abgelehnt. Im Leitsatz heisst es:

"Eine - für die Annahme einer Versetzung iSv. § 95 Abs. 3 BetrVG bei kurzzeitiger Zuweisung eines anderen Arbeitsbereichs zwingend notwendige - erhebliche Änderung der äußeren Umstände, unter denen die Arbeit zu leisten ist, liegt nur vor, wenn diese Änderung aus objektiver Sicht bedeutsam und für den betroffenen Arbeitnehmer gravierend ist. Hierbei kann auch von Bedeutung sein, wie lange der Arbeitnehmer den mit den äußeren Faktoren der Arbeit einhergehenden Belastungen ausgesetzt ist."

In der Begründung setzt sich das BAG ausführlich mit dem Begriff der Versetzung auseinander. Nach der Legaldefinition in § 95 Abs. 3 Satz 1 BetrVG liegt eine nach § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG zustimmungspflichtige Versetzung bei der Zuweisung eines anderen Arbeitsbereichs vor, die die Dauer von voraussichtlich einem Monat überschreitet oder die mit einer erheblichen Änderung der Umstände verbunden ist, unter denen die Arbeit zu leisten ist. „Arbeitsbereich“ sind die Aufgabe und Verantwortung des Arbeitnehmers sowie die Art seiner Tätigkeit und ihre Einordnung in den Arbeitsablauf des Betriebs.

Was aber eine "erhebliche Änderung der Umstände" ist, dazu führt das BAG weiter aus. Lesenswert!

 

MdC

 

Das gekündigte Arbeitsverhältnis – und die Weiterarbeit des Arbeitnehmers

Wird ein Dienstverhältnis nach dem Ablauf der Dienstzeit von dem Verpflichteten (mit Wissen des anderen Teils) fortgesetzt, so gilt es gemäß § 625 BGB als auf unbestimmte Zeit verlängert, sofern nicht der andere Teil unverzüglich widerspricht.
 

§ 625 BGB regelt die stillschweigende (unveränderte) Verlängerung von Dienst- bzw. in diesem Fall Arbeitsverhältnissen unabhängig vom Willen der Parteien. Eine dadurch fingierte Bereitschaft des Dienstberechtigten (d.h. Arbeitgebers),  das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, setzt aber voraus, dass ihm bekannt ist, dass der Arbeitnehmer für ihn weitere Dienstleistungen erbringt. Es kommt auf die Kenntnis des Arbeitgebers bzw. seines Vertreters an. Im Falle der Kenntnis des Vertreters muss sich die Vertretungsmacht auf den Abschluss eines Dienst- bzw. Arbeitsvertrags beziehen. Ein Arbeitsverhältnis auf unbestimmte Zeit kommt daher dann nicht zustande, wenn lediglich Kollegen des Arbeitnehmers über dessen weiteres Verbleiben am Arbeitsplatz unterrichtet sind, die den Endzeitpunkt des Arbeitsverhältnisses nicht kennen und nicht zur Entscheidung über das weitere Verbleiben des Arbeitnehmers befugt sind.

Das BAG sah im hier entschiedenen Fall, in dem der Arbeitnehmer nach einer Eigenkündigung das Arbeitsverhältnis ohne Wissen des Arbeitgebers fortgesetzt hat,  auch keinen Entlohnungsanspruch aus faktischem Arbeitsverhältnis.

Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 10. September 2020 – 6 AZR 94/19 (A)6 AZR 94/19 (A)
 
MdC

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