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Arbeits- und Bereitschaftszeit

Die Frage, ab wann denn "normale" Arbeit oder aber Bereitschaftsdienst vorliegt bzw. sogar nur eine Rufbereitschaft beschäftigt die Rechtsprechung schon sehr lange. Die Definition wird dabei maßgeblich durch das europäische Recht bestimmt, insbesondere die sog. Arbeitszeitrichtlinie RL 2003/88/EG. Das OVG Niedersachsen hatte sich nun ebenfalls erst kürzlich wieder mit diesen Fragen auseinandersetzen müssen. In dem Verfahren (Urt. v. 16.04.2024, Az.: 5 LC 35/21) ging es zwar um eine Fallkonstellation, die nicht auf die Jugendhilfe übertragbar ist, da sie die Gewährung eines finanziellen Ausgleichs für den Kapitän eines Zollbootes während Seestreifen betraf (was mit Jugendhilfe daher auch erkennbar wenig gemeinsam hat), gleichwohl sind aber einige Ausführungen eine gute Zusammenfassung der europäischen Rechtsprechung. So heißt es im Urteil bspw.:

"Zusammenfassend ist festzustellen, dass grundsätzlich "Arbeitszeit" im Sinne der Richtlinie 2003/88/EG vorliegt, wenn der Arbeitnehmer persönlich an seinem Arbeitsplatz oder einem anderen vom Arbeitgeber bestimmten Ort anwesend sein und ihm zur Verfügung stehen muss, um gegebenenfalls sofort seine Leistungen erbringen zu können, oder ein solcher Ort zwar nicht bestimmt ist, die dem Arbeitnehmer auferlegte Frist für die Aufnahme seiner Arbeit aber nur wenige Minuten beträgt oder der Arbeitnehmer während seiner Bereitschaftszeiten im Durchschnitt häufig zur Erbringung von Leistungen herangezogen wird und diese Leistungen in der Regel nicht von kurzer Dauer sind. Ausnahmen davon sind möglich, wenn die dem Arbeitnehmer gewährten Erleichterungen und/oder Handlungsspielräume es diesem ermöglichen, die Zeit für eigene Interessen zu nutzen. Unabhängig von den vorgenannten Elementen fallen unter den Begriff "Arbeitszeit" im Sinne der Richtlinie 2003/88/EG sämtliche Bereitschaftszeiten, während derer dem Arbeitnehmer Einschränkungen von solcher Art auferlegt werden, dass sie seine Möglichkeit, während der Bereitschaftszeiten die Zeit, in der seine beruflichen Leistungen nicht in Anspruch genommen werden, frei zu gestalten und sie seinen eigenen Interessen zu widmen, objektiv gesehen ganz erheblich beeinträchtigen, also ein bestimmter Intensitätsgrad erreicht wird, der für eine Art Daueralarmbereitschaft spricht."

Insgesamt eine Entscheidung, die sich nahtlos an die bisherige Rechtsprechung anschließt.

 24.05.2024 MdC

Das geplante Tariftreuegesetz als möglicher Eingriff in die Tarifautonomie?

Das von der Regierungskoalition geplante Bundestariftreuegesetz führt nach Auffassung von Prof. Dr. Dr.  Löwisch (RA Prof. Dr. Dr. h.c. Manfred Löwisch, Freiburg, "Treue zu fremden Tarifverträgen?", in: NZA 2024, 361) bei der Auftragsvergabe an anderweitig tarifgebundene Auftragnehmer dazu, dass die in diesen Tarifverträgen enthaltenen Arbeitsbedingungen verdrängt werden. Den hierin enthaltenen Eingriff in die Koalitionsfreiheit der betroffenen Tarifvertragsparteien aus Art. 9 Abs. 3 GG hält der Verfasser aufgrund der konkreten Ausgestaltung des Vorrangs für unverhältnismäßig.

Kritisch merkt Löwisch an, dass der aktuelle Entwurf keine Anhörung der betroffenen Tarifvertragsparteien vorsieht und der Vorrang nicht unter den Vorbehalt des öffentlichen Interesses gestellt werde. Des Weiteren könne es mit dem aktuellen Diskussionsstand des Gesetzes auch zur Verdrängung repräsentativerer Spezialtarifverträge kommen. 

Auch wenn die Auftragsvergabe des Bundes kaum einen Jugendhilfeträger betrifft, muss die Diskussion um Tariftreueregelungen weiter beobachtet werden, da das Traiftreuegesetz sicherlich EInfluss auf Landesgesetzgebungen haben wird.

6.05.2024 MdC

Zum Urlaubsverfall bei Krankheit

Das LAG Baden-Württemberg (Urteil vom 11.10.2023 – 10 Sa 23/23) hat sich mit dem (möglichen) Verfall von Urlaubsansprüchen bei Langzeiterkrankungen beschäftigt. Erschwerend in diesem Fall kamen sog. "Betriebsferien" hinzu. Das Urteil in Leitsätzen:

1. Ist der Arbeitnehmer infolge krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit daran gehindert, seinen Urlaub bis zum Ende des Urlaubsjahres zu nehmen, kann der Anspruch auf den gesetzlichen Mindesturlaub - bei fortdauernder Arbeitsunfähigkeit - unter besonderen Umständen mit Ablauf des 31. März des zweiten Folgejahres untergehen. Erkrankt der Arbeitnehmer erst im Verlaufe des Urlaubsjahres, erlischt der Anspruch grundsätzlich aber nur, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer durch Erfüllung seiner Mitwirkungsobliegenheiten rechtzeitig in die Lage versetzt hat, diesen Anspruch auszuüben (im Anschluss an BAG 31. Januar 2023 - 9 AZR 107/20 - Rn. 13 und 15).

2. Die Mitwirkungsobliegenheiten eines Arbeitgebers im Zusammenhang mit dem Anspruch eines Arbeitnehmers auf bezahlten Erholungsurlaub umfassen auch den Hinweis auf vom Arbeitgeber geplante Betriebsferien.

3. Weist ein Arbeitgeber nicht rechtzeitig vor dem Beginn der Erkrankung eines Arbeitnehmers auf geplante Betriebsferien hin, reduziert sich der Urlaubsanspruch - und ihm folgend der Urlaubsabgeltungsanspruch - grundsätzlich nicht um die Tage der Betriebsferien.

06.05.2024 MdC

Urlaubsanspruch bei Doppelarbeitsverhältnis

Das Bundesarbeitsgericht (Urteil v. 5.12.2023, Az. 9 AZR 230/22) hat entschieden, dass ein Arbeitnehmer, der nach einer rechtswidrigen Kündigung eine andere Beschäftigung annimmt, für den Zeitraum der Überschneidung beider Arbeitsverhältnisse ungeminderte Urlaubsansprüche gegenüber beiden Arbeitgebern hat. Der vom neuen Arbeitgeber gewährte Urlaub muss jedoch auf den Urlaubsanspruch gegen den alten Arbeitgeber angerechnet werden, um doppelte Urlaubsansprüche zu vermeiden. Die Anrechnung erfolgt kalenderjahresbezogen.

6.05.2024 MdC

Eingruppierungsfragen für Team- und Gruppenleitungen in kirchenrechtlichen Regelungen bzw. Tarifverträgen

Wie schwierig eine zutreffende Eingruppierung im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe sein kann, das zeigen zwei kirchenrechtliche Verfahren. In einem Urteilsverfahren des kirchlichen Arbeitsgerichts für die Bayerischen (Erz-)Diözesen (Urteil vom 29. März 2023, Az.: 2 MV 23/22) ging es um die Eingruppierung einer Teamleitung in einer Jugendhilfe-Außenwohngruppe nach Anlage 33 zu den Richtlinien für Arbeitsverträge in den Einrichtungen des Deutschen Caritasverbandes (AVR Caritas). Die Dienstgeberin begehrte in diesem Verfahren die Ersetzung der von der Mitarbeitervertretung verweigerten Zustimmung zur Eingruppierung einer Mitarbeiterin in Entgeltgruppe S 12. Die Mitarbeiterin ist als Teamleitung in einer Außenwohngruppe für Jugendliche tätig, die 60 % ihrer Arbeitszeit beansprucht. Die Mitarbeitervertretung hielt die Eingruppierung in Entgeltgruppe S 15 für zutreffend. Zu Recht, urteilte das Gericht und folgte damit der Mitarbeitervertretung. Die Tätigkeit der Teamleitung hebe sich mindestens zu einem Drittel durch besondere Schwierigkeit und Bedeutung aus der Entgeltgruppe S 12 heraus. Die Teamleitung habe (in diesem Verfahren)  neben den bewohnerbezogenen Aufgaben auch mitarbeiterbezogene und organisatorische Aufgaben, die ein Wissen und Können erfordern, das die Anforderungen der Entgeltgruppe S 12 in beträchtlicher und gewichtiger Weise übersteigt. Die Tätigkeit der Teamleitung hat auch eine gesteigerte Bedeutung, da sie eine Außenwohngruppe eigenständig leitet und für die organisatorische Gestaltung und den pädagogischen Standard verantwortlich ist.

In einem anderen Verfahren, welches als Beschlussverfahren vor dem  Kirchengericht für mitarbeitervertretungsrechtliche Streitigkeiten der evangelischen Landeskirche und Diakonie in Württemberg unter dem Az 1 AS 9/2022 D am 24. Juli 2023 geführt wurde,

ging es um die Eingruppierung einer Gruppenleiterin einer KiTa. Die Antragstellerin war in diesem Verfahren eine Dienststelle, die drei Kindertagesstätten betreibt. Der Streit ging nun darum, ob  die Mitarbeitervertretung die Zustimmung zur Eingruppierung der Beschäftigten  als Gruppenleiterin in die Entgeltgruppe S 8 b verweigern durfte. Die Mitarbeitervertretung sah hier nämlich sogar die Voraussetzungen der Entgeltgruppe S 9 gegeben. In diesem Fall gab das Gericht allerdings der Dienstgeberin Recht. Das Gericht führte aus, dass die Erzieherinnen in der Gruppe der Beschäftigten keine besonders schwierigen fachlichen Tätigkeiten ausübten, weil die Kita keine ausgewiesene Inklusionskindertagesstätte sei und der erforderliche Anteil von einem Drittel an behinderten Kindern nicht erreicht wird.

 Nach dem Wortlaut der Protokollerklärung zu den AVR BaWü müssten für die Heraushebung aus der Ausgangsentgeltgruppe S 8 a zwei Voraussetzungen vorliegen: Zum einen muss eine Tätigkeit in einer Integrationsgruppe vorliegen; zum anderen muss in der fraglichen Integrationsgruppe ein Anteil von mindestens einem Drittel von behinderten Menschen betreut werden. Die Dienstgeberin ist daher berechtigt, die Gruppenleiterin in die Entgeltgruppe S8b einzugruppieren.

Kontakt

Arbeitgeberverband privater Träger
der K
inder- und Jugendhilfe e.V.

Nikolaiwall 3

27283 Verden

Tel 04231 - 95 18 412

Mail: info@ag-vpk.de

Internet: www.ag-vpk.de

 

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